Estancia La San Antonio und La Paloma

Liebe Leser,

letzten Montag (19.08.) war hier in Argentinien ein Feiertag zu Ehren von San Martín, der sich fuer die Unabhaengigkeit Argentiniens einsetzte. Eigentlich ist der Feiertag am 17.08., da San Martín an diesem Tag gestorben ist, aber da dieser Tag dieses Jahr auf einen Samstag fiel,  wurde der Feiertag und somit freie Tag auf den Montag verlegt - was des oefteren mit Feiertagen passiert, die auf das Wochenende fallen. Also war La Paloma am Montag geschlossen, sodass mich die Eltern von meiner Freundin Macarena auf einen Ausflug auf eine Estancia einluden. Nun fuer alle, die sich fragen, was eigentlich eine Estancia ist, hier eine kurze Defintion:

"Estancia (spanisch/portugiesisch) oder Estanzia (deutsch: Rinderfarm nennt man ein Landgut in Südamerika, auf dem eine stationäre, extensive Weidewirtschaft vor allem mit Mastrindern, Schafen und Milchkühen betrieben wird. In ArgentinienChileParaguayUruguay sowie dem äußersten Süden Brasiliens kam ab der ersten Hälfte der 19. Jahrhunderts der Begriff Estancia (wörtlich „Heimstatt“, „Wohnplatz“) auf, um damit Anwesen zu bezeichnen, auf denen eine ortsgebundene Viehzucht betrieben wurde, die das simple Einfangen und Schlachten der von den Spaniern aus Europa eingeführten und in der Pampa verwilderten Rinder ablöste."
(http://de.wikipedia.org/wiki/Estancia)

Da ich noch nie auf einer Estancia war, da sie etwas ausserhalb der Stadt liegen und ohne Auto schwer zu erreichen sind, habe ich mich sehr gefreut, als sie mir anboten eine Estancia zu besuchen. Morgens um 10 Uhr ging es los und nach ca. einer Stunde Autofahrt - eigentlich sind es nur ca. 50km gewesen, aber sehr sehr viele Ampeln - waren wir endlich da. Zu Beginn gab es eine Picada (Fingerfood), die ziemlich lecker war. Ausser die Kuhzungen haben mir nicht geschmeckt, aber das lag wahrscheinlich daran, dass ich wusste das es Zungen waren. Eine Stunde spaeter gab es denn auch schon Mittagessen - nicht dass wir schon laengs satt waren. Und was gab es zu essen?! Natuerlich asado, wie es sich fuer "echte" Argentinier gehoert... mit Brot und Salat. Das Fleisch war auch sehr sehr lecker. Nichts geht ueber das argentinische Steak. Nach dem Essen konnten wir dann ein wenig reiten und uns das Gelaende anschauen bis es Zeit Kaffee (in diesem Falle Kakao oder Mate) und Kuchen zu sich zu nehmen. Die tortas fritas waren mit irgendeiner Marmelade gefuellt und es gab Pflaumenkuchen, der sehr gut schmeckte. Die heisse Schokolade war sehr suess, da schon unter das Kakaopulver viel zu viel Zucker gemischt wurde, der sich unten in der Tasse absetzen. Die Argentinier moegen es halt lieber suess. Danach haben wir dann noch etwas die Sonne genossen, da es am Montag ziemlich warm war fuer den argentinischen Winter - naemlich so 20°C. Man merkt, dass der Fruehling langsam kommt. Auf der Ruecktour haben wir dann auf der Rueckbank geschlafen, da ein Tag an der frischen Luft doch ziemlich muede macht. Fazit des Tages: Die Argentinier verbringen unglaublich viel Zeit mit essen!
Noch ein paar Fotos von dem Tag auf der Estancia:
Picada - Haehnchen, Kaese, Schinken, selbstgemachtes Brot und Kuhzungen(!)

Asado - Haehnchen, Rind und Schwein



Lama oder Alpaca?! Angespuckt wurden wir zumindest nicht...


















Die zweite Woche ist schon rum und irgendwie vergeht mir die Zeit viel zu schnell. Heute war mein letzter Tag als educador in La Paloma. Mal wieder ein komisches Gefuehl, aber ich werde die alle ja noch mindestens einmal wiedersehen, wenn ich mich verabschiede. Es war ein ganz anderes Gefuehl jeden Tag dort hinzugehen. Ich war gluecklich, dass ich wieder ins Team aufgenommen wurde...an allem teilnehmen konnte - an den reuniones, am Fussballtraining, an den Workshops. Klar, ist meine Situation jetzt eine andere als damals. Schliesslich bin ich doch nur zu Besuch, aber alle haben sie so gefreut, dass ich mir die Zeit fuer La Paloma genommen habe. Zum Abschied meinte die Psychologin zu mir: "Also wir sehen uns dann Montag, oder?!" Dabei hatte sie ganz vergessen, dass morgen meine Reise in den Sueden beginnt. So alltaeglich war es wohl schon mich wieder um sich zu haben. 

Noch habe ich nicht viel zu Kindern gesagt, die nun nach La Paloma kommen. Es sind viele neue, die erst seit kurzer Zeit regelmaessig ins Projekt kommen, aber auch schon einige, die etwas langer da sind. Viele von damals sind nun in anderen Gruppen, die mit dem Alter ja auch die Gruppen getauscht werden. Vor allem aber ist es super interessant gewesen zu sehen, wie sich die Kinder innerhalb der zwei Jahre veraendert haben. 
So ein Junge (nennen wir ihn Martin), der jetzt 7 Jahre alt ist und damals der juengste der kleinsten war. Martin hat 3 aeltere Brueder und zwei Schwestern... er ist der zweitjuengste in der Familie. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass er sehr schuechtern war und seine Schwester, die in der gleichen Gruppe war, immer fuer in geantwortet und ihn verteidigt hat. Das ist jetzt nicht mehr so. Er ist aelter geworden, aber in den zwei Jahren kaum gewachsen. Zwar sagt er nun seine eigene Meinung, aber redet trotzdem nicht viel. Martin ist  oft sehr muede, wenn er nach La Paloma kommt und ihm wird schnell langweilig. Jedoch spielt er nun jeden Tag mit den grossen Fussball in der freien Zeit. Es spielt schon ziemlich gut fuer sein Alter - auch wenn er so klein ist. Innerhalb der Familie hat sich einiges getan. Seine Mutter hat sich von dem stets betrunkenen und aggressiven Mann getrennt und hat nun einen neuen Partner, von dem man aber nichts genaues weiss. So ist die Mutter mit ihren 5 Kindern umgezogen um mit ihrem neuen Partner zusammenzuleben. Sie arbeitet nachts, sodass die Kinder auf sich alleine gestellt sind und somit bis spaet in die Nacht Fernsehen schauen. Es ist also auch kein Wunder, dass sie morgens nicht aufstehen koennen um zur Schule zu gehen. Ausserdem kommen viele von seinen Freunden nicht mehr nach La Paloma. Man merkt Martin an, dass er sie sehr vermisst. Zwar sind neue in die Gruppe gekommen, aber irgendwie ist er doch alleine. Zwar versucht er sich es nicht anmerken zu lassen, da er ja schliesslich schon 7 Jahre alt ist und dazu auch noch ein Junge - die duerfen doch nicht traurig sein. Mir ist aufgefallen, dass er versucht die Grossen nachzuahmen. Martin ist immer ernst, lacht sehr wenig und hat wirklich immer seine Haende in den Hosentaschen - um cool zu wirken. Doch wo ist das einfach nur Kindsein bei diesem Jungen geblieben?! Das Laecheln, das er stets auf den Lippen hatte?!
Nun moechte ich noch von einem Maedchen erzaehlen. Ich nenne sie Paula, 14 Jahre alt, ein tapfes Maedel. Eigentlich gehoert sie zu der Gruppe der Jugendlichen, aber sie kommt nicht mehr nach La Paloma... schon etwas laenger nicht. Dabei ist sie doch gerne nach La Paloma gekommen, da viele ihrer Freunde da sind. Sie hatte immer einen lockeren Spruch auf den Lippen und hatte meiner Meinung nach eine Chance dem Teufelskreis zu entkommen. Sie ist sehr intelligent, ist regelmaessig zur Schule gegangen. Doch alles hat sich innerhalb dieser zwei Jahre geaendert. Nun hat sie einen Freund. Er ist 16 Jahre alt und kommt auch nach La Paloma. Vor kurzem haben die beiden ein Kind bekommen... einen Sohn, gerade mal zwei Wochen alt. Paula wohnt noch bei ihrer Mutter und es herrscht Chaos zu Hause. Insgesamt sind sie neun Kinder und viele von ihnen haben schon selber Kinder. So wohnen sie in einen kleinen Haus mit zwei Raeumen mit ungefaehr 10 Personen. Es ist nicht ganz klar, da immer welche kommen und gehen. Es ist sehr laut und unruhig. Das Baby ist nun im Krankenhaus, weil es erkaeltet ist.. kein Wunder bei den vielen Leuten. Letzte Woche habe ich Paula und ihr Kind bei der Fiesta del día de niño gesehen. Sie war blass. Man merkte ihr an, dass sie erschoepft ist. Sie redete kaum und war in sich gekehrt. Paula suchte das Gespraech mit einer Arbeitskollegin.. fing an zu weinen und sagte, dass sie ueberfordert sei. Sie tut mir Leid. Aber irgendwie sind fruehe Schwangerschaften hier normal. Aber so frueh?! Vielleicht liegt es dadran, dass die jungen Maedchen, etwas eigenes haben wollen - nur fuer sich. Aber muss es denn gleich ein Kind sein?! Sie sind doch noch selber Kinder... koennen nicht mal auf sich alleine aufpassen... und muessen nun ein Kind grossziehen. Viele junge Eltern versuchen sich der Verantwortung zu entziehen, indem sie die Kinder ihren Eltern ueberlassen. Sie machen so weiter wie bisher...suchen vielleicht Zuflucht in Alkohol und Drogen.. Ich hoffe einfach, dass es Paula nicht passiert und sie ihren eigenen Weg gehen wird.

So die zwei kleinen Geschichten haben mich in den letzten Tagen sehr beschaeftigt. Wie viel sich in kurzer Zeit veraendern kann, ist mir klar, aber nie haette ich gedacht, dass sich eine Situation komplett umdrehen kann - von einem Moment auf den anderen. Die Schicksale der Kinder regen mich zum Nachdenken an. Was ist falsch und was ist richtig?! Was geht in diesen Kindern vor?! Fragen ueber Fragen, aber keine Antworten.


Morgen frueh geht´s fuer mich endlich in den Sueden. Zuerst nach Calafate und dann mal sehen. Einen richtigen Plan habe ich noch nicht. Mal sehen, wohin mich der Wind tragen wird. Aber erstmal raus aus der Grossstadt. Alles andere wird sich schon ergeben.
Ich versuche zwischendurch immer mal wieder Fotos zu posten, aber wer weiss schon in wie weit das moeglich ist...
Also bis dann erstmal!
Ganz liebe Gruesse aus dem winterlichen Buenos Aires,
Mariel (:

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